Gefühle wahrnehmen und nicht nach ihnen handeln. Das ist eine der größten Stärken des Menschen. Du musst als Mensch nicht blind deinen Gefühlen folgen, noch ist es ratsam das zu tun. Du kannst deine Gefühle wahrnehmen und dich dann entscheiden nicht nach ihnen zu handeln.
Beispiel: Du hast Angst davor zum Zahnarzt zu gehen. Du kannst diese Gefühle wahrnehmen, aber trotzdem hingehen.
Aber was ist, wenn die Gefühle etwas subtiler sind? Wenn du beispielsweise Angst hast, deine Meinung zu sagen, oder deine Gefühle auszudrücken? Wie würde sich dein Leben ändern, wenn du diese Gefühle wahrnehmen, aber dennoch deine Meinung vertreten könntest?
In den letzten Artikeln habe ich die Themen “Abhängig vom Partner“ und “Emotional unabhängig werden“ behandelt.
Gefühle wahrnehmen und verstehen
Wenn du deine Gefühle verstehst, kannst du deine Gefühle wahrnehmen, aber nicht nach ihnen handeln. Was ist ein Gefühl?
Ein Gefühl ist ein körperlich und psychischer Vorgang in dir. Es ist eine Reaktion infolge deiner unterbewussten Bewertung von Dingen, was dir schadet und was dir guttut.
Beispiel:
Wenn du dich in einem Raum befindest und ein Mann mit einer Sturmmaske und Pistole stürmt das Zimmer, was würdest du in dieser Lage verspüren?
Ich nehme mal ganz stark an, dass du Angst verspüren würdest. Wieso?
Weil du weißt, dass eine Pistole Menschen töten kann und die Sturmmaske darauf hindeutet, dass der Mann eventuell Gebrauch von der Pistole machen könnte. Es ist also nicht gut für dich. Die Situation weckt bei dir das Gefühl der Angst aus.
Aber jetzt stell dir vor, ein Kind würde sich in diesem Zimmer befinden. Es hätte keine Ahnung davon, was die Pistole bedeutet und warum der Mann eine Sturmmaske trägt.
Das Kind würde keine Angst verspüren. Es würde vielleicht denken, dass die Pistole ein Spielzeug ist.
Das Kind hat keine unterbewusste Bewertung, dass die Pistole und die Sturmmaske etwas Schlechtes für ihn sind. Also verspürt es keine Angst.
Gefühle sind immer die Reaktionen deiner unterbewussten Bewertung. Die Bewertung was schlecht für dich ist und was gut für dich ist.
Und das ist der Schlüssel dafür, wie du Gefühle wahrnehmen, aber nicht nach ihnen handeln kannst.
Das bedingt aber zunächst, dass wir die Gefühle wahrnehmen und akzeptieren.
Gefühle leugnen: Typisches Muster
Es gibt wahrscheinlich nichts Menschlicheres, als Gefühle, die uns nicht gefallen zu leugnen. Das hängt mit der Erziehung zusammen.
“Hör auf zu weinen, sonst hält dich jeder für ein Weichei“
“Ein Mann verspürt keine Angst“
Du wirst also buchstäblich dazu erzogen, deine Gefühle zu leugnen. Aber bei dem, was du bisher gelernt hast, wird dir eins klar sein: damit verbaust du dir deinen Entwicklungsprozess, weil du deine Bewertungen und damit deine Gefühle nicht verändern kannst.
Wenn du dir nicht eingestehst, dass du Angst hast, dann gibt es für dich nichts zu tun.
Du fühlst beispielsweise eine große Angst, deine Meinung zu sagen. Doch du redest dir ein, dass du keine Angst hast. “Ich bin ein gestandener Mann, ich habe doch keine Angst meine Meinung zu sagen“. Du betrügst dich also selbst. Abgesehen davon, dass du deiner Selbstachtung damit Schaden hinzufügst, kannst du auch nicht die Gefühle wahrnehmen und nicht nach ihnen handeln.
Du kannst dich fragen, was versuchen meine Gefühle mir zu sagen? Welche unterbewusste Bewertung hat dieses Gefühl in mir verursacht. Möglicherweise stoßt du dann zu einer unterbewussten Bewertung, die du vor Jahren von deinen Eltern übernommen hast: “Ein echter Mann verspürt keine Angst“.
Diese Überzeugung kannst du dann revidieren und ersetzen. Wie das Revidieren im Einzelnen abläuft, habe ich in meinem Taschenbuch “Durch Mündigkeit zur Selbstliebe“ beschrieben. In dem Buch geht es darum, wie du emotionale Abhängigkeiten überwinden und dich liebenswert fühlen kannst.
Gefühle wahrnehmen eröffnet dir die Option nicht nach ihnen zu handeln
Gefühle wahrnehmen und nicht nach ihnen handeln, ist eine nur uns Menschen innewohnende Fähigkeit. Tiere haben zwar ebenfalls Emotionen (Wissenschaftler erkennen, dass Tiere Emotionen haben), aber dafür die Fähigkeit des Denkens nicht. Daher können sie zwar Gefühle wahrnehmen, aber sich nicht entscheiden, nicht nach ihnen zu handeln.
Doch viele Menschen machen von dieser Fähigkeit nicht Gebrauch, was ihnen große Möglichkeiten verbaut.
Gefühle wahrnehmen: Allianz zwischen Gedanken und Gefühlen
Es wird immer angenommen, dass Gedanken und Gefühle gegensätzlich wären. Die einen behaupten, dass man nur nach Gedanken handeln sollte und die anderen behaupten, dass man nur nach Gefühlen handeln sollte.
Meiner Meinung nach muss eine Allianz zwischen Gedanken und Gefühlen erschaffen werden.
Du kannst Gefühle wahrnehmen und darüber nachdenken, ob es ratsam wäre, danach zu handeln. Wenn ja, dann kannst du das natürlich tun.
Doch du kannst auch Gefühle wahrnehmen und entscheiden, dass es nicht ratsam wäre, nach ihnen zu handeln. Du kannst erkennen, dass sie durch alte Überzeugungen, die du irgendwann mal von anderen Menschen übernommen hast, resultieren und keine Relevanz mehr für dich heute haben.
Das ist der Inbegriff von innerer Stärke. Der Inbegriff von Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein.
Eine Frage zum Schluss: Was würde sich in deinem Leben ändern, wenn du Gefühle wahrnehmen, aber nicht nach ihnen handeln könntest?