Gefühlskalt zu sein kann ziemlich schlimme Folgen haben. Etwa dass du dich im Umgang mit anderen Menschen ineffizient fühlst, da du keine Gefühle ausdrücken kannst. Wenn du versuchst, Gefühle in dir zu identifizieren – geschweige denn auszudrücken – findest du dort lediglich ein großes Nichts. Und somit hast du auch keinen inneren Kompass, der dich führt und dir jene Sachen zeigt, für die du dich begeistern könntest.
Doch auch der Umgang mit Menschen, die gefühlskalt sind, kann zu einer Herausforderung werden. Denn andere Menschen wissen nicht, woran sie bei dir sind und daher, wie sie mit dir umgehen sollen. Woran kannst du dich erfreuen? Was gefällt dir nicht? Macht dir ihre Gesellschaft Spaß? Das sind die Fragen, die andere Menschen herausfinden möchten, aber nicht können, da du keinerlei Einsichten in dein Innenleben gewährst. Daher kann es sein, dass sie mit der Zeit das Interesse an dir verlieren und den Kontakt abbrechen wollen.
Aber wie kann ein Mensch gefühlskalt werden? Gibt es Umstände und Situationen, die dazu führen können, dass er gefühlskalt wird? Gibt es bestimmte Verhaltensweisen, die eine Rolle spielen? Und was musst du tun, um wieder Gefühle empfinden und zeigen zu können? Diese Fragen bewegen mich in diesem Beitrag.
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Gefühlskalt – ernüchternde Recherche
Meine Recherche zum Thema der Gefühlskälte war ehrlich gesagt etwas ernüchternd. Kaum jemand hatte über dieses Thema geschrieben, obwohl es sich dabei meiner Meinung nach um einen sehr wichtigen Aspekt des zwischenmenschlichen Umgangs handelt.
Und wenn ich dennoch Beiträge gefunden habe, die in etwa dieses Thema behandelten, dann wurde in ihnen meist völlig am Thema vorbeigeredet. Man zog es vor, mit komplizierten Fachbegriffen um sich zu werfen, das Phänomen lediglich zu beschreiben, als auf die wahren Ursachen einzugehen und gute Hilfestellungen zu leisten.
Alexithymie war beispielsweise ein Begriff, der immer wieder aufkam und sofort meine Aufmerksamkeit erregte. Ein Begriff, der ein besonderes Wissen über dieses Thema suggerieren soll.
Die Moral meiner Recherche war, dass die Verwendung von Fachbegriffen keineswegs eine Garantie dafür ist, dass der Autor weiß, wovon er redet. Nur weil jemand schöne Sätze formuliert und sich Fachvokabeln aneignet, bedeutet das nicht, dass er auch gute Informationen bieten kann, die hilfreich sein können.
Daher möchte ich im Folgenden – als jemand, der selbst einst gefühlskalt war – meine eigenen Erfahrungen zu dem Thema darlegen. Ich bin überzeugt davon, dass es zwei wesentliche Ursachen für die Gefühlskälte gibt. Zum einen die Angst vor Ablehnung. Und zum Anderen die Unterdrückung von belastenden Gefühlen.
1. Gefühlskälte Ursache: Angst vor Ablehnung
Die Angst vor Ablehnung kann dazu führen, dass du ein gefühlskalter Mensch wirst. Doch bevor ich auf die Einzelheiten eingehe, müssen wir uns zunächst folgende Fragen stellen: Hat nicht jeder Angst vor Ablehnung? Möchte nicht jeder Kritik, so gut wie es geht, vermeiden? Die Antwort ist: Ja und Nein.
Niemandem ist es vollkommen egal, ob er abgelehnt wird oder nicht. Wir alle werden von dem Feedback beeinflusst, das wir von unserer Umgebung erfahren. Und daher halte ich auch ziemlich wenig von Ratschlägen, wie: “Dir muss es egal sein, was andere Menschen von dir denken“. Das ist schlicht und ergreifend nicht möglich – es sei denn es handelt sich um einen Soziopathen.
Die entscheidende Frage ist vielmehr, wie wichtig das Feedback deiner Umgebung für dich ist. Es ist also eine Frage des Grades. Während für manche Menschen das Feedback eher eine untergeordnete Rolle spielt und sie daher mit Ablehnung und Kritik gut umgehen können, ist es für andere der einzige Maßstab, woran sie ihren Wert als Person bemessen.
Nach dem Motto: Wenn mich andere Menschen mögen und akzeptieren, dann bin ich ein wertvoller, liebenswerter und guter Mensch. Wenn mich aber andere Menschen nicht mögen und ablehnen, dann bin ich ein wertloser und schlechter Mensch. Das ist das Phänomen der emotionalen Abhängigkeit.
Wenn du also so sehr darauf bedacht bist, was andere Menschen von dir denken (weil du deinen Wert als Person daran bemisst), dann hast du verständlicherweise große Angst davor, abgelehnt zu werden. Denn Ablehnung ist für dich nicht einfach nur Ablehnung. Für dich ist sie ein Urteil über dich. Das Urteil, dass du nicht gut bist und nicht in diese Welt passt.
Buchtipp: Durch Mündigkeit zur Selbstliebe: Wie du emotionale Abhängigkeiten überwindest und dich liebenswert fühlst
Der Versuch, die Angst vor Ablehnung zu verringern
Wenn wir Menschen Angst vor etwas haben, dann tun wir etwas sehr Natürliches: wir versuchen diese Angst zu verringern. Und im Falle der Angst vor Ablehnung sieht das dann in etwa so aus: Du versuchst alles in deiner Macht Stehende zu tun, um von anderen gemocht und akzeptiert zu werden. Du gehst allen möglichen Situationen aus dem Weg, aus denen Konfrontationen entstehen könnten. Deine eigene Meinung unterdrückst du, um ja keine Ablehnung zu provozieren. Du versuchst also so wenig, wie möglich, preis von dir zu geben und gleichzeitig die anderen durch Schmeicheleien zu manipulieren. Lesetipp: Authentisch leben bedeutet keine Angst vor Ablehnung zu haben
Und deinen Gefühlen kommt an dieser Stelle eine besondere Bedeutung zu. Sie scheinen das Risiko, von anderen abgelehnt zu werden, erheblich zu erhöhen. Wieso? Weil du sie nicht kontrollieren kannst. Du kannst nicht kontrollieren, welches Gefühl du als Nächstes empfinden wirst. Sie sind nicht kalkulierbar. Daher liegt es im Bereich des Möglichen, dass manche deiner Gefühle dazu führen können, dass sich andere verletzt, genervt oder negativ gestimmt fühlen. Und das ist ein Risiko, dass du keineswegs eingehen möchtest.
Ein Beispiel: Dich nervt ein bestimmtes Verhalten einer Person. Am liebsten würdest du sie darauf ansprechen und verlangen, dass sie damit aufhört. Doch wenn du dieses Gefühl ausdrücken würdest, könnte es sein, dass es die Person verletzt und verärgert, was letztendlich zur Ablehnung führen könnte.
Daher ziehst du es vor, dieses Gefühl zu unterdrücken. Du tust so, als ob dir dieses Verhalten nichts ausmachen würde. Du zeigst der Person eine Fassade, statt dein wahres Gesicht. Denn nur so kannst du das Risiko, abgelehnt zu werden, minimieren. Lesetipp: Sich selbst belügen: 13 Wege (Auswirkungen auf die Selbstachtung)
Kein Kontakt mehr zu deinen Gefühlen: gefühlskalt
Dieses Aufsetzen einer Fassade bleibt aber nicht ohne Konsequenzen. Es führt nämlich dazu, dass du allmählich den Kontakt zu deinen eigenen Gefühlen verlierst. Du verlierst sozusagen das Gefühl für deine eigene Identität, weil du dich bisher immer so verhalten hast, wie es andere Menschen gerne sehen würden.
Und wenn du dann mal deine eigenen Gefühle wahrnehmen möchtest, dann stellst du fest, dass du dort nur ein großes Nichts findest. Keine Gefühle, keine Regung, keine Freude. Du hast also die Fähigkeit verlernt, deine eigenen Gefühle wahrzunehmen und dir den Kontakt zu ihnen verbaut. Du bist gefühlskalt geworden und hast dich emotional entfremdet. Lesetipp: Wieso du deine Lebensfreude verloren hast
2. Gefühlskälte Ursache: Unterdrückung von belastenden Gefühlen
Die zweite wesentliche Ursache für die Gefühlskälte ist die Unterdrückung von belastenden Gefühlen. Sie überschneidet sich in manchen Punkten mit der ersten Ursache und ich habe auf diesem Blog schon oft über dieses Thema geschrieben. Dennoch möchte ich es an dieser Stelle zusammenfassen und die Frage klären, was die Unterdrückung von belastenden Gefühlen mit gefühlskalten Menschen zu tun hat.
Es gibt nämlich Menschen, die behaupten würden, dass das Unterdrücken von Gefühlen zum Alltag dazugehöre. Und zwar um überhaupt “durch den Tag zu kommen“. Diese Annahme ist nicht nur falsch, sondern hat auch schlimme Folgen.
Denn wir alle empfinden hin und wieder negative Gefühle. Das gehört zum Menschsein dazu. Doch nicht die Existenz von negativen und belastenden Gefühlen ist das Problem, sondern vielmehr der Umgang mit ihnen. Durch einen falschen Umgang mit belastenden Gefühlen kannst du dir Fähigkeit zerstören, Gefühle empfinden zu können, was schlussendlich zur Gefühlskälte führen kann. Im Folgenden ein Beispiel.
Belastende Gefühle nach einer Trennung
Angenommen du hast dich gerade von einer langjährigen Beziehung getrennt. Solch eine Trennung führt in der Regel zu sehr belastenden und negativen Gefühlen, die dich zeitweise überfordern können. Sie stören dich im Alltag und hindern dich daran “zu funktionieren“.
Folglich tust du etwas, das jeder Mensch tun würde, wenn er etwas Negatives empfindet: Du versuchst diese belastenden Gefühle loszuwerden, um endlich wieder frei zu sein. Und eine angemessene Vorgehensweise dafür siehst du darin, diese Gefühle zu unterdrücken, leugnen und deinen Körper anzuspannen, um sie nicht mehr empfinden zu müssen. Solange bis du diese Gefühle “abgetötet“ hast.
Doch das ist ein Trugschluss. Du glaubst, dass du die belastenden Gefühle unterdrückst. Doch in Wirklichkeit unterdrückst du nicht deine Gefühle, sondern deine Fähigkeit, Gefühle zu empfinden.
Das ist genau dasselbe, als wenn du folgendes tun würdest: Du möchtest etwas Unangenehmes nicht sehen. Also fügst du deinen Augen bewusst Schaden zu, um es nicht mehr sehen zu müssen. Das Ergebnis ist nachher tatsächlich, dass du dieses unangenehme Etwas nicht mehr siehst, aber du siehst auch nichts anderes mehr, weil du deine Fähigkeit zu sehen zerstört hast.
Zugegeben: Das war ein ziemlich düsteres Beispiel. Es verdeutlicht aber den Trugschluss ziemlich gut, wie ich finde. Denn es ist dasselbe Prinzip mit deinen Gefühlen.
Nachdem du die belastenden Gefühle “abgetötet“ hast und glaubst, mit der Trennung fertig geworden zu sein, merkst du im nächsten Moment, dass du keinen Zugriff mehr auf all deine anderen Gefühle hast. Wieso? Weil du nicht die negativen Gefühle, sondern deine Fähigkeit, Gefühle zu empfinden, unterdrückt hast. Und das führt unweigerlich dazu, dass du gefühlskalt und emotional abgestumpft wirst. Lesetipp: Innere Leere überwinden – was du wissen musst
Gefühlskalt – was du tun solltest und Fazit
Wie ich bereits gesagt habe: Zwischen der ersten Ursache und der zweiten, gibt es einige Gemeinsamkeiten. Und die entscheidende Gemeinsamkeit ist, dass du deine Gefühle unterdrückst. Im ersten Falle, um keine Ablehnung zu provozieren und im zweiten Falle, um belastende Gefühle loszuwerden.
Wenn du dich daher aus der Gefühlskälte herausarbeiten möchtest, solltest du deine grundlegende Haltung gegenüber deinen Gefühlen überdenken. Du musst verstehen, was Gefühle sind und was sie dir zu sagen haben. Welche Funktion sie erfüllen und wie du am besten mit ihnen umgehen kannst. Gefühle sind keine lästigen Partygäste, die man jederzeit ausladen kann, wenn man keine Lust mehr auf sie hat. Sie sind ein Ausdruck von dir, der verstanden, gehört und wahrgenommen werden möchte.
Doch wichtig zu verstehen ist, dass dieser Beitrag nicht den Zweck verfolgt, dir irgendwelche Vorwürfe zu machen. Schließlich hat uns niemand beigebracht, was Gefühle sind und wie wir mit ihnen am besten umgehen können. Niemand hat uns beigebracht, dass wir Gefühle wahrnehmen, akzeptieren und uns dann letztendlich dazu entscheiden können, nicht nach ihnen zu handeln.
Wenn ich vor etwa 9 Jahren nicht damit angefangen hätte, mich mit dem Selbstwertgefühl zu beschäftigen, dann würde ich wahrscheinlich heute noch Gefühle als lästige Gäste wahrnehmen, die ich versuchen würde, loszuwerden.
Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem wir andere Menschen nicht mehr verantwortlich für unsere Probleme machen können und das Ruder selbst in die Hand nehmen müssen.
Zum Abschluss habe ich dir einige Beiträge von mir gelistet, in denen ich über den richtigen Umgang mit Gefühlen schreibe:
Emotional unabhängig werden – wie du es hinkriegst
Wieso du deine schlechte Kindheit dringend aufarbeiten musst
Vergangenheit aufarbeiten – 3 unersetzliche Schritte
Wieso intelligente Menschen oft emotional gestört sind
Gefühle wahrnehmen und nicht nach ihnen handeln